Dominanz durch Neuroparasiten? Wie uns die Intelligenz der Natur beeinflusst

Oct 27, 2020 | Psychologie & Wissenschaft

Wie Parasiten die Persönlichkeit des Menschen beeinflussen

Stell dir folgendes Szenario vor: Ein fast unsichtbarer Parasit geht in Umlauf und befällt den Menschen. Dabei übernimmt er die Kontrolle über dessen Persönlichkeit und Verhalten. Einige dieser Parasiten sorgen für starke Wesensveränderungen bei Menschen. Sie lassen Depressionen entstehen oder führen zu Aggressivität, sogar selbstzerstörerischem Verhalten.

Klingt verrückt? Was viele Menschen nicht wissen: Diese Geschichte, die an eine Szene aus einem Zombie-Film erinnert, ist jedoch Realität.

Kannst du dir vorstellen, dass seit jeher Parasiten auf unserem Planeten existieren, die Menschen dominanter, aggressiver oder auch sensibler machen?

Sie beeinflussen sogar unser Erbgut und sorgen dafür, dass Persönlichkeitsveränderungen von Generation zu Generation weitergegeben werden. Heutzutage besitzt noch immer ein großer Teil der Menschheit bestimmte Gene, die auf einen damaligen parasitären Befall hindeuten. Und sie beeinflussen das Wesen von Menschen noch heute. Das ist ganz schön harter Tobak. Doch wie kann das sein? Die Tatsache und das Ausmaß der parasitären Beeinflussung sind beängstigend und faszinierend zugleich.

Es zeigt aber auch die unfassbare Intelligenz der Natur und wirft einige Fragen über unsere eigentliche Identität auf.

Parasiten wurden lange als niedere Lebewesen gesehen, die nicht alleine überleben können und sich deshalb in anderen Organismen festsetzen. Mittlerweile weiß man, dass der Parasitismus viel komplexer ist. Er gleicht einem evolutionären Erfolgsmodell. Was die Wenigsten wissen, ist, dass ein Teil der unheimlichen Gäste als sogenannte Neuroparasiten auftreten und sogar unsere Persönlichkeit beeinflussen können.

Der bekannteste ist hier: Toxoplasma gondii 

Die Zahl der infizierten Menschen ist hoch. Etwa jeder Dritte trägt ihn in sich. Als Hauptwirte gelten Katzen, denn nur in ihnen kann sich der Parasit vermehren. Weitere Tiere wie Mäuse oder Vögel gelten nur als Vehikel (Fortbewegungsmittel), dasselbe gilt für uns Menschen. Auch durch uns gelangt der Parasit von einer Katze zur anderen. Die Taktik dahinter ist nahezu gespenstisch: Der Parasit “weiß” um den Zusammenhang zwischen Katzen und Mäusen. Um von der Maus zur Katze zu gelangen, lagert sich der Parasit unter anderem im Gehirn der Maus ein und sorgt dafür, dass die Maus keine Angst mehr vor der Katze hat. Ergo: Die Katze frisst die Maus mitsamt dem Parasiten, und dieser ist dort angekommen, wo er sich nun vermehren kann – in der Katze. Pathetisch ausgedrückt: Der Parasit programmiert seinen tierischen Zwischenwirt auf Selbstmord.

Toxoplasma gondii: Der Parasit verändert die Gene des Menschen.

Jaroslav Flegr, ein tschechischer Evolutionsbiologe, forscht seit über 15 Jahren an der Karls-Universität Prag, um den Einfluss einer Toxoplasmose-Infektion auf den Menschen zu untersuchen. Dabei interessiert ihn vor allem die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen der Infektion und bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen gibt. Die Ergebnisse seiner mittlerweile umfangreichen Studienreihe bestätigen dies: Tatsächlich kann eine Infektion mit Toxoplasmose zu Veränderungen in der Persönlichkeit führen, insbesondere wenn die Infektion länger anhält. Dabei sind folgende Phänomene besonders auffällig:

Steigerung der Risikobereitschaft und

Abnahme der Reaktionsfähigkeit.

Diese Effekte wurden insbesondere bei Männern festgestellt. Die gesteigerte Risikobereitschaft und die verringerte Reaktionsfähigkeit erinnern stark an das Verhalten von Mäusen, die durch den Parasiten leichtsinnig gemacht werden, um der Katze zum Opfer zu fallen. Es wird auch vermutet, dass Parasiten Männer risikofreudiger und Frauen vertrauensseliger machen.

Wie es genau zu dieser Fremdsteuerung auf biochemischer Ebene kommt, ist noch nicht vollständig geklärt. Ein nachgewiesener Zusammenhang besteht jedoch beim Testosteronspiegel. Dieser steigt bei Männern signifikant an und sinkt bei Frauen in gleichem Maße.

Wenn wir davon ausgehen, dass die Natur bei all den Dingen, die sie hervorbringt, eine gewisse Intelligenz besitzt, stellen sich einige Fragen: Was könnte es für uns bedeuten, wenn wir eine Veränderung im kollektiven Bewusstsein der Bevölkerung erleben? Was bedeutet es zum Beispiel, wenn generell mehr Menschen sensibler und feinfühliger werden? Was bezweckt die Natur damit?

Toxoplasma gondii und psychische Erkrankungen

Untersuchungen haben ergeben, dass der Parasit das Nervengewebe im Gehirn befällt und dadurch ein Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie, Depressionen (insbesondere bipolaren Störungen) und Suizidgedanken hergestellt werden kann. Vor allem steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit für aggressives Verhalten.

Eine Infektion mit dem Erreger kann mittels Bluttests auf Antikörper gegen Toxoplasmen oder durch direkten Nachweis der Erreger oder des Erbguts in Patientenproben, wie zum Beispiel im Lymphknotengewebe, festgestellt werden.

Was ist der Sinn von Parasiten? 

Nun stellt sich die Frage, warum die Natur überhaupt Parasiten hervorgebracht hat. Hier gibt es spannende Erkenntnisse und Theorien.

Parasiten können das Immunsystem stärken.

Forscher haben immer wieder einen Zusammenhang zwischen Parasiten beim Menschen und einer Stärkung des Immunsystems festgestellt. Eine Infektion führt zur Weiterentwicklung der betroffenen Wirte, da ihr Immunsystem dadurch komplexer wird. Auf diese Weise kann sich die Artbestände weiterentwickeln.

Parasiten sind ein wichtiger Motor der Evolution.
Ein weiterer Aspekt ist, dass Parasiten für ein Gleichgewicht in der Natur sorgen, eine Überbevölkerung verhindern und gleichzeitig zur Artenvielfalt beitragen. Sie regulieren, was zu viel ist, und fördern die Vermehrung, wenn es zu wenig gibt, durch eine gesteigerte Sexualität.

Es wurde beobachtet, dass bestimmte Parasitenarten, die zufällig in ein neues Gebiet eingeschleppt wurden, die neuen Wirte zwar befallen, aber wenig Schaden anrichten. Eine Studie von Marc Torchin an der University of California ergab, dass die Parasiten die Neuankömmlinge nicht bekämpften. Er untersuchte 26 Parasitenarten, die normalerweise in neue Lebensräume eindringen und dort heimische Arten verdrängen.

In den meisten Fällen stellte sich heraus, dass die invasive Kraft darauf beruhte, dass die Neuankömmlinge nicht mit den Parasiten kämpfen mussten. Sie konnten sich ungehindert und ohne negative Folgen ausbreiten.

Die Theorie besagt, dass die damaligen Wirte in ihrer ursprünglichen Heimat nur deshalb mit den Schmarotzern zu kämpfen hatten, weil ihre eigene Populationszahl zu hoch war. Dies ist bisher nur eine Hypothese, aber es gibt einige Anzeichen dafür.

Fazit

Wir erkennen die Unfassbarkeit und Intelligenz der Natur. Dadurch stellen sich viele Fragen zur Sinnhaftigkeit unseres Wesens. Gleichzeitig ermöglicht uns dies, vermeintliche Krankheiten und Eigenarten aus einer neuen Perspektive zu betrachten.

Aber auch wenn es so aussieht, als ob die Natur bei all den Dingen, die sie hervorbringt, einen Plan hätte, haben wir die Möglichkeit, dies zu erkennen und zu verändern.

Wir sind nicht Opfer unserer Gene, der Umstände, von Parasiten oder anderen Eindringlingen. Die Veränderung beginnt mit dem Verständnis unserer eigenen Verhaltens- und Denkmuster und führt zur Selbstermächtigung und dem Willen, unerwünschte Eigenschaften zu ändern. Wir alle tragen diese Fähigkeiten in uns. Es gilt, sie zu entdecken und zu nutzen.

<a href="https://logisch-charmant.de/author/sue/" target="_self">Susanne Barons</a>

Susanne Barons

Gründerin von Logisch. Charmant, Mentorin, Alice im Wunderland und Nerd zugleich, wenn es um die menschliche Psyche geht. Die große Vorliebe liegt hier bei den wissenschaftlichen Hintergründen, vor allem aus den Bereichen der aktuellen Hirnforschung, Psychologie und kulturübergreifende Faktoren.

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